Zwischen Stärke und Selbstverlust: Wann Durchhalten zu viel wird
Durchhaltevermögen ist eine zentrale Stärke in Unternehmerfamilien – oft über Generationen verankert. Doch genau darin liegt auch eine Gefahr: Wann wird „dranbleiben“ zur Überforderung? Im Beitrag zeige ich den feinen Unterschied zwischen Aushalten und Ausharren – und warum es gerade für Unternehmerfamilien so wichtig ist, diesen zu erkennen. Mit Impulsen für mehr Selbstreflexion und gesunde Führung.

„Durchhalten“ als stolzes Prinzip vieler Unternehmerfamilien
„Durchhalten“ – für viele Unternehmerfamilien ein Leitprinzip, das über Generationen weitergegeben wird. Nicht aufgeben, auch wenn’s schwer ist. Durchziehen, weil andere sich darauf verlassen. Belastbar sein – das gehört einfach dazu, oder?
Und ja – Durchhaltevermögen ist ohne Frage eine wertvolle Fähigkeit. Wer nicht bei der ersten Schwierigkeit aufgibt, sondern lernt, Herausforderungen zu meistern, entwickelt Resilienz – persönlich wie unternehmerisch.
Doch in meiner Arbeit mit Unternehmerfamilien erlebe ich immer wieder: Gerade in dieser Stärke liegt auch eine Gefahr. Denn wann wird Aushalten zu Ausharren? Und ab wann ist „weiter durchhalten“ nicht mehr klug, sondern ungesund?

Unternehmerfamilien brauchen beides: die Fähigkeit, durchzuhalten – und die Weisheit, rechtzeitig zu erkennen, wann es Zeit ist, einen neuen Weg zu wählen.
Claudia Hoffmann
Zwischen Bulldozer-Erziehung und echter Selbstwirksamkeit
Eine aktuelle Zeitgeist-Erscheinung sind die sogenannten „Bulldozer-Eltern“ – ein Begriff, der mir in einer Fachzeitschrift begegnete. Gemeint sind Eltern, die jede Hürde im Vorfeld aus dem Weg räumen – um ihre Kinder zu schützen oder ihnen den Weg zu erleichtern.
Was gut gemeint ist – gerade in Zeiten gefühlter Unsicherheit – kann langfristig hinderlich sein: Wenn junge Menschen nie lernen, selbst mit Rückschlägen umzugehen, keine eigenen Lösungen entwickeln dürfen oder Misserfolge nicht erleben, fehlt ihnen später zentrale Elemente unternehmerischer Reife: das Erleben von Selbstwirksamkeit und Übernahme von Verantwortung.
Wer nie selbst erfahren hat, dass man sich durchbeißen kann, dass man stolz auf das Erreichte sein darf, wenn es hart war – der wird auch im unternehmerischen Kontext schnell an Grenzen stoßen. Oder die Verantwortung lieber anderen überlassen.

Aushalten – eine unterschätzte Kraft
Wer als Kind oder junge Führungskraft lernt, etwas durchzuhalten, auch wenn es mühsam ist, stärkt nicht nur sein Durchhaltevermögen – sondern auch das Vertrauen in sich selbst.
- Ich kann etwas schaffen.
- Es gibt einen Weg, auch wenn er nicht sofort sichtbar ist.
- Ich darf stolz sein, wenn ich etwas zu Ende bringe.
Diese Erfahrungen brauchen wir, um wachsen zu können – als Unternehmerinnen, als Nachfolgerinnen, als Familie.
Doch Achtung: Wann wird Aushalten zu Ausharren?
Wie beim Muskeltraining: Wer zu viel Spannung über zu lange Zeit hält, riskiert Schäden. In der Unternehmerwelt kann das heißen: Burnout, Erschöpfung, Identitätsverlust. Was als Einsatz für das Familienunternehmen beginnt, wird zur inneren Leere.
Denn Ausharren bedeutet: Weitermachen, obwohl der Sinn längst verloren gegangen ist. Die Freude ist verschwunden, der Einsatz wird zur Pflichtübung.
Gerade in Unternehmerfamilien, wo Verantwortung über Generationen weitergereicht wird, ist diese Gefahr besonders groß. Loyalität wird oft höher bewertet als das eigene Wohlbefinden – manchmal auch über die eigenen Grenzen hinaus.
Was hilft? Innehalten. Reflektieren. Ehrlich sein.
Fragen, die sich Unternehmer*innen und Nachfolger*innen stellen können:
Radikale Ehrlichkeit: Eine Stärke, kein Zeichen von Schwäche
In solchen Momenten ist es hilfreich, sich Begleitung von außen zu holen – jemanden, der neutral hinschauen kann, der die Dynamiken in Unternehmerfamilien kennt und nicht Teil des Systems ist.
Sich Unterstützung zu holen ist kein Zeichen von Schwäche. Im Gegenteil: Es ist eine Form von Führung, die langfristig stabiler, gesünder und klarer ist. Für einen selbst – und für alle, die man führt.
Fazit
Durchhaltevermögen ist eine Kraft. Aber nur dann, wenn es nicht zur Selbstverleugnung wird. Unternehmerfamilien brauchen beides: die Fähigkeit, durchzuhalten – und die Weisheit, rechtzeitig zu erkennen, wann es Zeit ist, einen neuen Weg zu wählen.
Start meines Podcast „Im Herzen Unternehmerkind“
Neuer Podcast über Unternehmerfamilien, Nachfolge & Identität – ab 15. Mai mit Claudia Hoffmann.
Deine Mitarbeitende sind nicht deine Familie!
Mitarbeitende sind keine Familie – warum klare Führung, gesunde Abgrenzung und professionelle Distanz für ein starkes und erfolgreiches Team essenziell sind.
Special Unternehmensnachfolge in der Wirtschaft aktuell
In der aktuellen Wirtschaft aktuell sprach ich mit Redakteur Carsten Schulte über ein zentrales Mittelstandsthema: die Unternehmensnachfolge.
Newsletter abonnieren
Weitere Informationen erwünscht? Dann direkt anmelden!